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Erinnerungskultur im Saarland

Allgemeines

„Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart“. Mit diesen Worten hat der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker die
Funktion und damit auch die Notwendigkeit von Gedenken und Erinnerung umschrieben.

Es geht nicht nur – selbstverständlich – um geschichtliches Wissen, das uns erlaubt zu erkennen und zu beurteilen, wie wir, jeder Einzelne, aber auch unsere Gesellschaft geworden ist und warum sie so ist, wie sie ist. Es geht vor allem darum, Gefahren des Scheiterns und Möglichkeiten der Entwicklung und des Fortschritts in der Gegenwart zu erkennen. Dabei ist nicht nur die Kenntnis von Fakten und kausalen Zusammenhängen wichtig, sondern gerade auch ihre ethische und moralische Bewertung und das „emotionale Lernen“ in ihrem Angesicht.

Initiativen

Im Saarland leistet neben zahlreichen individuellen Initiativen und Unternehmungen die Landesarbeitsgemeinschaft Erinnerungsarbeit e.V. mit ihren Mitgliedern dazu den bedeutsamsten Beitrag. Zeugnis für ihre vielfältige herausragende Arbeit legen dafür ihre Publikationen selbst ab.

Zu den nur beispielhaft hervorzuhebenden zivilgesellschaftlichen Akteuren auf dem Gebiet der Erinnerungsarbeit gehören das Adolf Bender Zentrum e.V., das auch auf dem Gebiet der Erinnerungsarbeit neben Vorträgen und Workshops mobile Ausstellungen und Beratungsdienstleistungen anbietet, sowie die Aktion 3. Welt e.V., deren vorzügliche Schriftenreihe „Wider das Vergessen“ landkreisspezifisch an Orte der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft im Saarland und das Schicksal jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger erinnert.

Zu einer veranschaulichenden Erinnerungsarbeit tragen Gedenktafeln und Fotografien an öffentlichen Einrichtungen mit Hinweisen auf Verlorenes und andere Zeichen der Begegnung mit der Vergangenheit bei. Zuweilen bedarf es auch einer Korrektur von Namensgebungen, die sich aufgrund von dem Nationalsozialismus zugewandten Einstellungen und Verhaltensweisen der Namensträger als nicht akzeptabel erweisen. Schon in der Vergangenheit ist die Benennung von Straßen mit den Namen heute zu Recht moralisch verurteilter Menschen – zu erwähnen ist beispielhaft der an der Zwangssterilisierung im Rahmen des Euthanasieprogramms der Nationalsozialisten beteiligte Arzt Oskar Orth, dessen Namen eine Straße in Saarbrücken trug – durch Kommunen beendet worden.

Denk- und Mahnmale zur Shoah im Saarland 

 

Homburg - „Mahnmal gegen das Vergessen“

Das am 12.11.2019 eingeweihte „Mahnmal gegen das Vergessen“ am Historischen Markplatz in Homburg besteht aus sieben Granitstehlen, die von dem rheinland-pfälzischen Künstler Klaus Glutting gestaltet wurden. Sie befinden sich in der Nähe der alten Homburger Synagoge und sollen an die Opfer des nationalsozialistischen Regimes erinnern - insbesondere an jene, die in der Kreisstadt Homburg zuvor gelebt haben und als Mitbürgerinnen und Mitbürger sehr geschätzt wurden. 

Sieben Granitstehlen: eine Anlehnung an den siebenarmigen jüdischen Leuchter, die „Menora“. Sie ist ein bedeutendes Symbol in der jüdischen Kultur und spielte bereits bei den Gottesdiensten im Ersten Tempel von Jerusalem eine Rolle. Noch heute wird der Leuchter beim jüdischen Lichterfest „Chanukka“ mit Kerzen versehen. Ähnlich wie bei einem Adventskranz wird jeden Tag eine Kerze mehr angezündet bis die Feierlichkeiten zu Chanukka nach einer Woche zu Ende gehen. 

Mahnmal gegen das Vergessen am Tag der Einweihung

Mahnmal gegen das Vergessen am Tag der Einweihung

Ottweiler

Die Synagoge in Ottweiler fiel ebenfalls der Reichspogromnacht zum Opfer, viele Menschen jüdischen Glaubens aus der Region wurden gewaltsam vertrieben und in Vernichtungslager deportiert. Das Mahnmal im heutigen Fornaro-Hof in Ottweiler erinnert an diese und weitere von den Nationalsozialisten begangene Verbrechen. Das von dem Architekten Peter Christoph Seeberger konzipierte Kunstwerk wurde am 09. November 1988 eingeweiht. Es besteht aus einer circa ein Meter hohen Metallstele in Form eines Davidsterns, die aus einem angedeuteten Trümmerhaufen in die Höhe wächst. Auf dem Mahnmal ist die Inschrift „Zum Gedenken an das jüdische Gotteshaus – Vom Rassenwahn verblendete Deutsche schändeten es 1938 – Der Vernichtung der Synagogen folgte der Mord am jüdischen Volk – Sich erinnern bringt Erlösung – Verdrängen hält die Erlösung auf“ zu lesen.

Am Tag vor der Einweihung wurde das Mahnmal von Unbekannten mit Hakenkreuzen beschmiert.

Dreißig Jahre nach der Einweihung des Mahnmals wurden als Zeichen der Erinnerung an die ehemalige Synagoge in Ottweiler ihre Grundmauern in rosafarbenem Granit nachgebildet sowie ein Modell der Synagoge und der jüdischen Elementarschule auf dem Schlosshof aufgestellt.

Ottweiler

Ottweiler

Rehlingen-Siersburg

Das Mahnmal in Rehlingen-Siersburg wurde 2017 eingeweiht und soll an die Opfer des Holocaust erinnern.  In einem internationalen Workshop von elf Jugendlichen aus Russland, Serbien, der Ukraine, Deutschland, Italien, Spanien und Mexiko wurde es über einen Zeitraum von drei Wochen konzipiert und errichtet. In der Mitte eines grossen Davidsterns, dessen Umrisse symbolisch aus Schienen bestehen, steht ein kleines weißes Rosenbäumchen. Um den Stern herum sind sechs amerikanische Eichenbäumchen gepflanzt, die die sechs aus Rehlingen-Siersburg stammenden jüdischen Opfer des nationalsozialistischen Regimes symbolisieren. Die Bäumchen und weitere Materialien stammen aus der Nähe von Gurs in den Pyrenäen. Dort befand sich ein Arbeitslager, in dem u.a. die aus Rehlingen-Siersburg stammenden jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger kurzzeitig untergebracht waren, bis sie in Vernichtungslager deportiert wurden. Mehr zu Gurs finden Sie hier.

Im Januar 2020, nur wenige Tage nach dem jährlich stattfindenden Holocaust-Gedenktag, wurde das Denkmal von Unbekannten geschändet. Inzwischen ist es wieder errichtet.

Rehlingen-Siersburg

Rehlingen-Siersburg

Saarbrücken - "Band der Erinnerung"

Auf dem Vorplatz der Saarbrücker Synagoge am Beethovenplatz wurde am 04. September 2022 das Mahnmal „Band der Erinnerung“ durch Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, Oberbürgermeister Uwe Conradt und viele andere feierlich eingeweiht. Der Vorplatz, auf dem das Denkmal steht, wurde umbenannt in „Platz der Erinnerung“. Das von dem Berliner Künstlerduo David Mannstein und Maria Vill geschaffene Denkmal besteht aus einem circa 3 Meter hohen verschlungenen Metallband und erinnert konkret an die Deportation und Ermordung der saarländischen jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Auf dem Denkmal sind alle Namen saarländischer Jüdinnen und Juden - soweit bekannt -, die von den Nazis deportiert wurden zu lesen. Zusätzlich sind Geburts- und Sterbejahr sowie der Name des Vernichtungslagers, in dem die Ermordung durch die Nazis stattgefunden hat, vermerkt.

Die Errichtung des Denkmals war ein gemeinsames Projekt der Synagogengemeinde Saar, der Landeshauptstadt Saarbrücken, des Landtags des Saarlandes, der Regierung des Saarlandes und des Vereins „DenkmalMit!“.

Band der Erinnerung

Band der Erinnerung

Saarbrücken - „Platz des Unsichtbaren Mahnmals“

Am 23. Mai 1993 wurde dem Saarbrücker Schlossplatz ein zweiter Name gegeben: „Platz des Unsichtbaren Mahnmals“. Dies geschah im Rahmen des Projekts „2146 Steine - Mahnmal gegen Rassismus“, das von Jochen Gerz 1990 ins Leben gerufen und zunächst gemeinsam mit seinen Studierenden der Hochschule für Bildende Künste realisiert wurde. Bis 1993 wurden von den Studierenden 2146 Standorte (auch ehemaliger) jüdischer Friedhöfe in ganz Deutschland recherchiert. Als Standort seines Mahnmals entschied sich Jochen Gerz für den Schlossplatz Saarbrücken, da in den Gebäuden rund um den Schlossplatz die Gestapo, die Kriminalpolizei und der Polizeipräsident untergebracht waren und das gesamte Areal somit die Polizeigewalt in Saarbrücken zur NS-Zeit symbolisierte. In der Reichspogromnacht wurden jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger auf den Schlossplatz getrieben und gedemütigt. Im Jahr 1940 mussten sich saarländische Jüdinnen und Juden auf dem Platz sammeln und wurden von dort aus nach Gurs deportiert.

Das Projekt sollte ohne einen Auftraggeber umgesetzt werden, sodass der Künstler zunächst in der Illegalität arbeitete. In einer Nacht- und Nebelaktion ersetzten er und seine Studierende Pflastersteine auf dem Schlossplatz durch andere Steine. In den nächsten Wochen meißelten sie auf die Unterseite der Originale die Standorte jüdischer Friedhöfe sowie das Datum der Beschriftung. Anschließend wurden in einer weiteren nächtlichen Aktion die Originale wieder an ihren Platz gesetzt. 

Dies blieb nicht unbemerkt, sodass Jochen Gerz gezwungen war sein Projekt nun offiziell vorzustellen. Am 29.08.1991 entschied sich der Stadtverbandtag mit 22 Fürstimmen und 17 Gegenstimmen für die vollständige Umsetzung des Mahnmals, das am 23.05.1993 der Öffentlichkeit übergeben wurde.

Am Rand des Platzes des Unsichtbaren Mahnmals wurde im Jahr 2020 ein Hinweisschild in Form eines Verkehrsschildes mit der Inschrift „Gurs 1.212 km“ aufgestellt, das in Richtung Gurs zeigt. Es erinnert an die Deportation der saarländischen Jüdinnen und Juden im Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs, die am Schlossplatz begann. Zwei Gedenktafeln am Rande des Schlossplatzes informieren über die Geschichte der Deportation. Weitere Informationen finden Sie hier.

Platz des Unsichtbaren Mahnmals

Platz des Unsichtbaren Mahnmals

Wadgassen - "Mahnmal gegen das Unrecht"

Das „Mahnmal gegen das Unrecht“ am Gedenkort Spurker Friedhof in Wadgassen wurde am 21.10.2018 eingeweiht. Es besteht aus einer 5,5 Meter in die Höhe ragenden Stele aus Cortenstahl, auf der die Inschrift „Für die in unserer Gemeinde internierten Zwangsarbeiter“ in verschiedenen Sprachen, u.a. Französisch, Griechisch, Italienisch und Russisch zu sehen ist. Auf der anderen Seite der Stele ist „Für unsere deportierten ermordeten und vertriebenen Bürger“ auf deutsch und hebräisch zu lesen. Um die Stele herum sind Gepäckstücke aus Basaltlava angeordnet. Eines davon wird von der Stele optisch entzwei gerissen.

Steinbildhauermeister und Steinmetz Wilhelm-Michael Kasakow konzipierte das Mahnmal, das an Zwangsarbeit, Flucht, Vertreibung, Ermordung, Widerstand und lebensbedrohliche Ausgrenzung von jüdischen Mitbürgerinnnen und Mitbürgern in der NS-Zeit erinnert.

Die genaue Anzahl an Bürgerinnen und Bürgern jüdischen Glaubens aus Wadgassen, die durch das Naziregime verfolgt und ermordet wurden, ist nicht bekannt. Sie wurden gewaltsam zur Abreise gezwungen und in das Vernichtungslager Gurs, nahe der Pyrenäen, gebracht. Weitere Informationen zu Gurs finden Sie hier.

 

Wadgassen - Spurker Friedhof

Saarbrücken - "Erinnern - Gedenken - Aufklären"

Am 21.11.22 wurde das Denkmal zum Andenken an die jüdischen Ärztinnen und Ärzte, die währen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt und  vertreiben oder diesem Terror zum Opfer fielen, im ersten  Obergeschoss des Gebäude der Ärztekammer des Saarlandes eingeweiht. Das Denkmal besteht im Kern aus einer circa 1,5m hohen Stele aus  fränkischem Jurastein auf der eine Tafel aus Bronze eingelassen ist. Den Stein hat Stein- und Bildhauser Haßdenteufel aus Püttlingen angefertigt, die Bronzeplatte in Trier gegossen. In diese sind die Namen aller jüdischen Ärzte und Ärztinnen mit Tätigkeitsort, die dem Nationalsozialistischen Regime zum Opfer fielen eingraviert. Umgeben ist die Stele von diversen Informationstafeln zum Forschungsprojekt „Erinnern - Gedenken - Aufklären. Das Schicksal jüdischer Ärzte im Saarland 1933 bis 1945“ unter der Leitung von Dr. Gisela Tascher. Mehr Informationen finden Sie hier. 

Stele im Haus der Ärzte

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